Geschichte der Orgel in der Pfarrkirche »St. Johannis zu Glandorf« – vor 1827

In der um 1300 errichteten Kirche gab es laut »Windbuch« eine im Jahr 1529 erbaute Orgel. 1566 wurde diese vermutlich beim Neubau der Kirche übernommen und ist 1636 Opfer eines Kirchenbrandes geworden. 1659 bekam die Gemeinde eine neue Orgel. Meister Heinrich Duppen und Orgelmacher Jung werden als Erbauer der Orgel genannt, Monsieur Clamor Abel, Fürstlicher Osnabrücker Hofmusikus, und Pater Sixtus aus Osnabrück waren als Gutachter tätig.

Zunächst stand das Orgelwerk im Chorraum und konnte von der Sakristei aus erreicht werden. Im Zuge der Erweiterung des Kirchenraums um 1820 wurde die Orgel auf die neu errichtete Empore platziert, wo sie heute noch steht.

Geschichte der in Teilen erhaltenen Orgel von 1827

1827 – 1829
 von Vorenweg Kersting gebaut und auf der Empore aufgestellt. Die Orgel stand direkt an der Brüstung und war seitspielig. Die Gehäuse fertigte der damalige Tischlermeister Erpenbeck aus Glandorf. Zu diesem Zweck lud der Orgelrevisor und Kantor der Marienkirche in Osnabrück den Kirchenvorstand zu einem Besichtigungstermin nach Lienen ein.

Einige Register von 1827 sind in der heutigen Orgel noch enthalten, z.B. der Bourdon 16’, belegt durch Stempel in den Original-Pfeifen.

1906 erfolgten eine größere Renovierung und die Erweiterung des Orgelwerks. 4 weitere Register, deren Herkunft nicht eindeutig ist, wurden von der Firma Haupt aus Osnabrück hinzugefügt. Die Teilung der beiden Gehäuse geht auf den damaligen Domorganisten Herrn Bäumer zurück. Die Gehäusefront blieb unverändert. Bei der Renovierung wurde auch das ovale Kirchenfenster vergrößert.

1959 Erneuerung, Umbau und Elektrifizierung der Orgel durch die Firma Orgelbau Kreienbrink.

1980 begann der umfangreiche Umbau und die Restaurierung der historischen Pfeifen von 1827 durch die Firma Orgelbau Speith. Bei dieser Neuausrichtung wurden die Prospektpfeifen wieder in das Orgelwerk integriert.

1996/1997 realisierte die Firma Orgelbau Kreienbrink einen notwendigen, technischen Neubau der Orgel. Für die Planung und Durchführung waren der Orgelsachverständige Pfarrer Prof. Franz-Josef Rahe, Joachim Kreienbrink und Stefan Peters verantwortlich.

Die Orgel bekam wie bei ihrer Erbauung 1827 wieder einen seitlichen Spieltisch, allerdings blieben beide Gehäuseteile wie vor dem technischen Neubau seitenverkehrt aufgestellt. Ursprünglich standen sie zusammengefügt auf der Empore und durch die Vertiefung in der Mitte war ein Teil der alten Rosette zu sehen. Im Rahmen der Kirchenrenovierung 1992 – 1997 gab es konkrete Planungen, die zweite Ebene des Bühnenaufbaus abzutragen und die Orgel wie 1829 mit zusammengefügten Gehäuseteilen auf dem ersten Boden aufzustellen. Die Kirchengemeinde entschied sich für die jetzige Lösung, die insbesondere der Kirchenmusik und den Chören zugute kommt. Der Kirchenraum besitzt eine besonders gute Akustik. Mit nur wenig Kraft kann eine deutliche Artikulierung im gesamten Hallenbereich erzielt werden. Auch das spricht für die aktuelle Aufstellung der Orgel.

Beim Spielsystem erfolgte die Umstellung von elektrischer Kegellade auf mechanische Schleiflade. In Anlehnung an den historischen Orgelbau wurde das Gehäuse als tragende Einheit konzipiert. Das Unternehmen restaurierte die Gehäusefront von 1827 und fügte sie behutsam in das neue Gehäuse ein.

Die Disposition der 1827 – 1829 entstandenen Kersting Orgel

Manual I – HW C-f“‘
Principal 8′ | Bourdon 16′ (B/D) | Gedackt 8′ | Octav 4′ | Quint 3′ | Super Octav 2′ | Mixtur 4-fach |
Cymbel 3-fach | Trompet 8′ (B/D)

Manual II – Unterwerk – Positiv C-f“‘
Principal 4′ | Gedackt 8′ | Principal 8′ ab c‘ | Flaut douce 4′ | Octav 2′ | Mixtur 2-fach

Pedal
Subbass 16′ | Principal 8′ | Posaune 16′ Holz | Trompet 8′

(B/D) = Bass und Diskant Teilung


Die aktuelle Disposition der Orgel

Manual I – HW C-g“‘
Bourdon 16′ | Prinzipal 8′ | Flöte 8′ | Oktave 4′ | Rohrflöte 4′ | Quinte 2 2/3′ | Oktave 2′ |
Mixtur 4-fach 1 1/3′ | Trompete 8′ | Tremulant

Manual II – SW C-g‘‘‘
Gamba 8′ | Schwebung 8′ | Gedackt 8′ | Prinzipal 4′ | Flöte 4′ | Quinte 2 2/3′ | Nachthorn 2′ |
Terz 1 3/5′ | Scharff 3-fach 1′ | Basson 16′ | Dulzian 8′ | Tremulant

Pedal – C-f‘
Violon 16′ | Subbass 16′ | Oktave 8′ | Gedackt 8′ | Choralbaß 4′ | Posaune 16′

Die Orgel besitzt insgesamt 1.580 Pfeifen.

Die längste Pfeife im Register Violon 16’ hat eine klingende Länge von ca. 4,80 m, die kleinste Pfeife misst eine klingende Länge von ca. 1 cm und befindet sich im Register Scharff 3-fach.

Ein Register ist bei einer Orgel eine in der Regel über den gesamten Tonumfang reichende Reihe von Pfeifen gleicher Klangfarbe. Sie können als Gruppe ein- oder ausgeschaltet werden.

Das alte Maß »Fuß« hat sich über Jahrzehnte durchgesetzt, da bei dieser Einheit die Längenbezeichnung nur mit einer Zahl angegeben wird. Ein »Fuß« misst ca. 30 cm. Je höher bzw. größer die Zahl ist, umso tiefer klingen die Pfeifen. Auch Teiltöne wie Quinten können so von den Organisten schnell erkannt werden.

Die Register werden in Prizipalchöre und Weitchöre unterteilt. Prinzipale sind beispielsweise Prinzipal 8 oder Oktave 4’ Mixtur. Sie besitzen eine stärkere Ausdruckskraft und führen die Gemeinde in der Liedbegleitung.

Beispiele für Weitchöre sind Flöte 8’, Rohrflöte 4’, Gamba und Schwebung Gedackt 8’ oder Nachthorn 2’. Diese Register sind weicher und leiser und werden im Gottesdienst als Soloregister beim Liedvorspiel oder bei der Kommunionbegleitung genutzt.

Da die Organisten nicht nur mit den Händen, sondern auch mit den Füßen spielen, benötigen sie verschiedene Spielhilfen. Eine wesentliche Spielhilfe ist die kleine 64-fache Setzeranlage, die gewählte Registrierungen speichert. Das anschließende Umschalten der Pfeifenreihen während einer Messfeier oder eines Konzertes ist so schnell und einfach möglich. Weitere Spielhilfen sind die Koppeln II/I, II/P und I/P.

Quellen und Texte: Wolf Kalipp, »Die westfälische Orgelbaufamilie Vorenweg-Kersting«
Herbert Brügge, »Der Orgelbau im Tecklenburger Land«
KultourGut Glandorf e.V., »Die Kirchenorgel von St. Johannis zu Glandorf«
Johannes Underbrink und Thomas Geier, »Festschrift 1980«
Johannes Underbrink, »Festschrift 1997«
Stefan Peters, Klavier- & Orgel-Manufaktur

Fotos: Karl-Heinz Krützkamp